Wie war das damals mit dem Volksaltar am Pöllauberg?

kath.net Artikel, Pfingsten 2007 zum Thema Volkaltar

Graz (www.kath.net) Der steirische Pfarrer Roger Ibounigg ließ aus der Wallfahrtskirche in Pöllauberg den Volksaltar räumen. KATH.NET sprach mit ihm über seine Beweggründe dafür und sein Liturgieverständnis. Ibounigg plädiert im KATH.NET-Interview für ein Ende der liturgischen Priesterzentriertheit und für eine liturgische Gleichrichtung mit dem Volk. Die Gemeinde sollten mit dem Priester in eine Richtung blicken, zitierte er aus einem Buch des jetzigen Papstes Benedikt XVI.

KATH.NET: Herr Pfarrer, Sie haben vor kurzem aus der Wallfahrtskirche in Pöllauberg den Volksaltar räumen lassen. Warum?

Pfarrer Roger Ibounigg: Man muss unsere herrliche Wallfahrtskirche kennen, um zunächst das architektonische Argument zu verstehen. Der atemberaubende Siegeszug des so genannten Volksaltares hat viele blind gemacht für das ästhetische Argument. Ebenso stießen denkmalschützerische Zwischenrufe auf taube Ohren.

Wichtiger noch ist aber das theologische Moment der Zelebration „Ad dominum“. In seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch „Der Geist der Liturgie“, spricht unser jetziger Papst – damals noch Präfekt der Glaubenskongregation – das Problem klar an: „Die Wendung des Priesters zum Volk formt nun die Gemeinde zu einem in sich geschlossenen Kreis. Sie ist – von der Gestalt her – nicht mehr nach vorne und oben aufgebrochen, sondern schließt sich in sich selber. Die gemeinsame Wendung nach Osten war nicht ,Zelebration zur Wand’, bedeutete nicht, dass der Priester ,dem Volk den Rücken zeigt’: So wichtig war er gar nicht genommen.“

In diesem Sinne äußerte sich auch der Innsbrucker Liturgiker Josef Andreas Jungmann, einer der Architekten der Liturgie-Konstitution des II. Vatikanums. Er wandte sich gegen das polemische Schlagwort, der Priester habe bisher „mit dem Rücken zum Volk“ zelebriert. Jungmann hatte demgegenüber herausgestellt, dass es sich nicht um eine Abwendung vom Volk, sondern um eine Gleichrichtung mit dem Volk handelte. Dieses „eschatologische Defizit“ – so der Liturgiker Reinhard Messner – empfinde auch ich seit Jahren bei der Zelebration der Heiligen Messe.

 

 

KATH.NET: Der Pfarrgemeinderat drohte daraufhin mit dem Rücktritt. Was geschah dann?

 

Ibounigg: Ich gebe zu, dass diese Situation für meinen Pfarrgemeinderat überraschend war. Gestern haben wir in einer guten Sitzung die Wogen geglättet. Jetzt geht es darum, das Anliegen zu vertiefen und das Verständnis wachsen zu lassen.

 

 

KATH.NET: Was wurde denn bei der Sondersitzung des Pfarrgemeinderates am Donnerstagabend beschlossen?

 

Ibounigg: Ich werde die Wochentagsmessen ab nun „zum Herrn hin“, am Hochaltar feiern. An Sonntagen und Feiertagen wird das Heilige Opfer am Volksaltar dargebracht. Außerdem wird das „optische Gewicht“ des Volksaltares durch die Entfernung des Altartuches verringert. Er sieht also anders aus, wenn er „in Betrieb“ ist. Dies ist auch vom Künstler, der den Altar konzipiert hat, – übrigens mein Bruder – so intendiert. Damit können alle leben. Eine formelle Abstimmung ist hier aber nicht geschehen. Das ist nicht die Zuständigkeit eines Pfarrgemeinderates.

 

 

KATH.NET: Der Pressesprecher der Diözese Graz-Seckau meinte in einem Interview, der Volksaltar dürfe nicht aus der Kirche entfernt werden. Was sagt die Kirche dazu?

 

Ibounigg: Aus dieser Bemerkung sieht man, dass wir wieder genau die Dokumente des II. Vatikanums studieren müssen. Im Geleitwort zu dem international beachteten Buch „Conversi ad Dominum“ von P. Uwe Michael Lang C.O. verweist Kardinal Ratzinger, jetzt Papst Benedikt XVI., auf den Inhalt der Konzilstexte: „Zwei Dinge erscheinen für den normalen Kirchenbesucher als die greifbarsten Ergebnisse der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils: das Verschwinden der lateinischen Sprache und die Wendung der Altäre zum Volk hin. Wer die Texte des Konzils selber liest, wird mit Erstaunen feststellen, dass weder das eine noch das andere in dieser Form in den Konzilsbeschlüssen zu finden ist … Von der Wendung der Altäre zum Volk hin ist im Konzilstext nicht die Rede;“ (J. Ratzinger: Geleitwort, in: U. M. Lang: Conversi ad Dominum, Einsiedeln 32005 [12003], 7).

 

 

KATH.NET: In Pöllauberg dürfen Laien nur, wenn unbedingt nötig, als Kommunionspender eingesetzt werden. Warum?

 

Ibounigg: Das ist nicht nur in Pöllauberg so, das ist eine gesamtkirchliche Regelung, die aber weithin nicht beachtet wird, weil sie kaum eingefordert wird. In der Instruktion „Redemptionis Sacramentum“ vom 25. März 2004 lautet es: „Nur dort, wo eine Notlage es erfordert, können außerordentliche Spender dem zelebrierenden Priester nach Maßgabe des Rechts helfen.“ Das ist natürlich eine Frage der Definition des Wortes „Notlage“.

 

KATH.NET: Wie wird es jetzt weitergehen? Was sagt Bischof Egon Kapellari zu diesen Themen?

 

Ibounigg:: Die Sorge von Bischof Kapellari ist die Einheit. Es darf nichts zerbrechen. Erst dann kann weiter über das Thema selbst gesprochen werden. Das ist mein Eindruck nach einem ausführlichen Gespräch mit ihm. Sein wunderbares Buch „Heilige Zeichen – in Liturgie und Alltag“ ist auch „entstanden aus der Sorge eines Bischofs über das Verblassen und Vergessen vieler Symbole, die das Leben und den Glauben tragen und inspirieren können“, heißt es im Vorwort. Und: „Dies gefährdet besonders auch die Liturgie.“ Ich hoffe, dass die entstandene Diskussion für eine tiefere Entdeckung des „Sakramentes der Liebe“ hilfreich ist. Alles Innere muss sich äußern, und alles Äußere bedarf der Verinnerlichung. Darum ist das Thema der Zelebrationsrichtung wirklich wichtig.

Abschließend noch ein Wort des großen Philosophen Robert Spaemann zum Thema „Reform der Reform“ in der Süddeutschen Zeitung vom 7. März 2007: „Ein wichtiger Punkt dabei, der dem gegenwärtigen Papst besonders am Herzen liegt, ist, dass die Priesterzentriertheit beendet wird, die den Priester der Gemeinde gegenüberstellt statt ihn an der Spitze des Gottesvolkes gemeinsam mit der Gemeinde in die gleiche Richtung blicken und beten zu lassen: nach Osten oder aufs Kreuz.“

 

KATH.NET: Danke für das Gespräch!